100% tempelhof

Das Treffen fand am Rand des  Tempelhofer Feldes http://www.thf-berlin.de/.
Thilo Broschell und ein anderer Stadtaktivist 
haben über die Ereignisse aus erster Hand berichtet, die nach der Schließung des Flughafens Tempelhof dazu geführt haben,
dass jegliche Bebauungspläne auf dem Areal der ehemaligen Start-und Landebahne des Flughafens 2014 durch einen Volksentscheid gestoppt wurden und dass das Areal
vollständig frei für die Nutzung der BürgerInnen blieb: für ihre Freizeit, für die Naturerhaltung, für selbstverwaltete Gemeinschaftsgärten   http://www.allmende-kontor.de/index.php/gemeinschaftsgarten.html.

Eine Bürgerinitiative http://www.thf100.de/start.html  hat 2014 ein entsprechendes Gesetz verfasst und die Zustimmung von über 29,7% der wahlberechtigten BerlinerInnen in einem Volksentscheid erreicht hat, bei einer Wahrbeteiligung von 46,1%.

Im Gespräch wurde unter anderem folgendes klar:
– die Entscheidung gegen die Bebauung war auch ein Protest
gegen Nicht-Transparenz und Hinhaltetaktik der Politik,
– die Entscheidung war auch mit dem Versuch verbunden,
gegen die Gentrifizierung und die Erhöhung der Mieten zu halten;
in vereinzelten Wohnungen am Feld bleiben noch heute die Mieten
(bei alten Verträgen) teilweise 60% unter dem Berliner Durchschnitt
– die bevorstehende temporäre Siedlung für bis zu 7000 Flüchtende
am Flughafengebäude beinhaltet auch die Veränderung des Gesetzes,
um zwei temporäre Hallen bauen zu können.

Meiner Meinung nach ist der Beitrag des Kampfes der Bürgerinitiative auf jeden Fall positiv,nicht nur weil dieser Kampf eine Form der Teilhabe der BürgerInnen an politischen Geschehen darstellt. Die Debatte selbst hat die Teilhabe der BürgerInnen überhaupt gefördert. Die Nutzung eines grünen Areals war und ist eine konkrete Motivation für die Teilhabe. Die Fähigkeit einer Bürgerinitiative, ein Gesetz zu verfassen, zeigt Stärke und Reife.
Zeitgleich ist eine Bürgerinitiative das Sprachrohr eines Teiles der Bevölkerung
und stellt naturgemäß das eigene Anliegen in Vordergrund. Es ist dann Aufgabe der politischen Parteien und der Institutionen, dieses Anliegen und diese Interesse mit den allgemeineren Interessen und Anliegen in Einklang zu bringen.

Claudio Cassetti

integratives co-housing: REFUGIO

http://sharehaus.net/refugio/ Lenaustrasse 3-4 ist das zweite Haus dieser Art in Berlin. Nach der Erfahrungen in Sudafrika und in dem ersten kleineren Haus in Berlin wird dort Wohnraum (Zimmer mit Dusche und Toilette) für 40 einzelne Menschen zu dem üblichen Preis für ein WG-Zimmer angeboten; bis jetzt gibt es nur eine Familie im Haus.
Die BewohnerInnen sind eher jung aber nicht ganz, es gibt auch 40jährige.
Die BewohnerInnen kochen jede Woche einmal zusammen und nehmen jedes Monat an einem Workshop über Werte und einem Story-Telling-Workshop teil, die die Initiatoren des Refugio, Sven Lager und seine Frau, durchführen. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen war am Anfang freiwillig, jetzt wird verpflichtend für die BewohnerInnen.
Dort kann frau/man max 1, 5 Jahre wohnen, das Haus ist vor einem Jahr eröffnet worden.
Das Projekt ist sehr jung, hat keine Finanzierung vom Bezirk oder Land Berlin, wird nur durch Spenden und durch die Stadtmission finanziert, die das ehemalige Altesheim zur Verfügung gestellt hat. Es gibt dort keine Sozialarbeiter, die Jugendlichen oder Erwachsenen betreuen. Frau/man kennt sich mit den lokalen sozialen Einrichtungen (die Lenaustrasse ist ein Teil von Kreuzköln); es gibt keine feste Zusammenarbeit.
Trotzdem wohnen dort auch schutzbedürftige Menschen, die Gemeinschaft hilft ihnen.
Zum Haus gehört auch einen Café, jetzt auf dem Dach, in der Zukunft am Eingang im Erdgeschoss. Das Erdgeschoss wird gerade umgebaut, nach der Sommerpause wird dort wieder 3 Mal in der Woche ein Sprachcafé stattfinden, bei dem Deutsch in kleinen Gruppen spontan geübt und gelernt wird. Auch Externe können daran teilnehmen.
Die Entscheidungen (z.B. die Auswahl der vielen Bewerberinnen) wird gemeinsam getroffen, das Entscheidungsverfahren scheint informel zu sein, nicht immer muss die Versammlung der BewohnerInnen abstimmen, die Entscheidungen werden meistens über die sozialen Medien ausgehandelt.

Die Menschen die dort wohnen haben einen Aufenthalttitel,
Refugio ist keine Notunterkunft oder Erstaufnahmeeinrichtung.

Nach meinem Eindruck liegt die Stärke der Erfahrung des gemeinsamen Lerners in Refugio in folgenden Elementen:
a) die Erfüllung eines konkreten Bedürfnisses als Teil der Motivation:
die Möglichkeit des Wohnens, in WG-Bedingungen;
b) die informalen, weniger burokratisierten Entscheidungsverfahren
und die informalen Beziehungsnetzwerk. in die neue BewohnerInnen
(auch Flüchtende) miteinbezogen werden; es gibt keine Sozialarbeiter,
alle sind Sozialarbeiter;
c) der Café und das gemeinsame wöchentliche Kochen im Haus
als konkrete Infrastruktur, die  dieses Beziehungsnetzwerk anbietet
d) die Workshops über Werte und über Storytelling, die
wahrscheinlich die Thematik der Integration indirekt oder direkt
zum Ausdruck  bzw. zur Diskussion bringen.

Über die genaue Rolle und den Verlauf dieser Workshops
musste mehr  in Erfahrung gebracht werden.

Eine mögliche Schwäche der Erfahrung von Refugio scheint mir
in der starken Bezogenheit der Workshops und des Projekt auf die starken Persönlichkeiten des Gründers, Sven Lager und seiner Frau.

Können auch andere die Erfahrung von Refugio
in neuen Kontexten anwenden?

In der Tat bietet das Projekt Seminare zur Ausbildung von “Sharehaus-Botschafter”.
Ich weiß nicht, ob diese Seminare schon mal stattgefunden haben.

Jedenfalls eine weitere Voraussetzung für die Übertragbarkeit
der Erfahrungen ist die Verfügbarkeit von freiem Wohnraum
an einem Ort und in einem gewissen Umfang.
Auf dieser Grundlage kann dann ein weiteres Sharehaus
unter Umständen entstehen.

Claudio Cassetti, nach dem Besuch am 27 Juli